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Besprechung CD

DG 00289 477 5487

1 CD • 52min • 1949, 1955

31.10.2005

Künstlerische Qualität:
Künstlerische Qualität: 10
Klangqualität:
Klangqualität: 8
Gesamteindruck:
Gesamteindruck: 10

MUSIK... SPRACHE DER WELT II

10 CDs im Slipcase mit Booklet, DG/Universal 477 5494

Einzelveröffentlichungen:

Hatte Universal mit der ersten Folge von Wiederveröffentlichungen herausragender Aufnahmen der Deutschen Grammophon Gesellschaft aus der Nachkriegszeit unter dem nostalgischen Titel „Musik... Sprache der Welt“ schon einen Volltreffer gelandet, so ist mit der jetzt vorliegenden zweiten Folge womöglich ein noch größerer Wurf gelungen. Es scheint, als habe der Erfolg die Verantwortlichen ermutigt, noch tiefer in die Archiv-Kiste zu greifen und diesmal auch weniger populäres Material von umso größerem Repertoirewert ans Tageslicht zu fördern.

Eines der ambitioniertesten Projekte der 50er Jahre war die von der Deutschen Grammophon in Verbindung mit dem Deutschen Musikrat in Angriff genommene Edition „Musica Nova“, die der in der NS-Zeit unterdrückten deutschen Avantgarde endlich eine repräsentative Plattform bot. Dass die hochkarätigen Aufnahmen zeitgenössischer Werke, ergänzt durch Werkeinführungen und die Beigabe von Studienpartituren, damals begeisterten Absatz fanden, wirft ein bezeichnendes Licht auf die kulturelle Situation von damals im Vergleich zu heute. Aus dieser Serie stammt Ferenc Fricsays ungeheuer fesselnde Einspielung der Sinfonie Nr. 6 von Karl Amadeus Hartmann. In seiner Mischung aus Expressivität und Klarheit war Fricsay der ideale Vermittler dieses Repertoires, wie auch das Finale der Vierten, der Satz aus der Sinfonie von Wolfgang Fortner und die Paganini-Variationen von Boris Blacher hinreißend belegen.

Eine echte Lücke im Katalog schließen die beiden großangelegten Orchesterwerke von Karl Höller, ebenfalls seinerzeit in der „Musica Nova“-Serie erschienen. Die Sinfonische Phantasie op. 20 und die Sweelinck-Variationen sind farbige, blutvolle Musik, die völlig zu Unrecht aus dem Konzertsaal verschwunden ist. Verwundert begegnet man hier Eugen Jochum, dessen Name sonst eher mit Mozart und Bruckner assoziiert wird, als souveränem Anwalt neuer Musik, der den Partituren an Schlagkraft wie an Transparenz nichts schuldig bleibt.

Noch mit einer weiteren Jochum-Rarität weiß die Edition zu überraschen: Die klanglich aufgelichtete, von dramatischer Spannung erfüllte Wiedergabe dreier selten gespielter Sibelius-Stücke – der Ouvertüre Der Sturm sowie der Tondichtungen Die Okeaniden und Nächtlicher Ritt und Sonnenaufgang – macht deutlich, dass der stilistische Radius dieses Künstlers erheblich weiter war als gemeinhin angenommen wird. Wagners Lohengrin-Vorspiele und Vorspiel und Karfreitagszauber aus Parsifal verkörpern dann glänzend jenes Repertoire, für das Jochum zu Recht berühmt war.

Zwei randvoll bepackte CDs sind dankenswerterweise dem 1956 verstorbenen Dirigenten Fritz Lehmann gewidmet, dessen man sich bei Universal – endlich – wieder zu erinnern beginnt (wann wird seine legendäre, von Günther Arndt komplettierte Einspielung von Bachs Weihnachtsoratorium, ein frühes Glanzstück der Archiv Produktion, wieder zugänglich gemacht?!). Die flexible, herrlich beschwingte Aufführung von Dvoráks achter Sinfonie und die eindrucksvoll angelegte César Franck-Sinfonie sind Zeugnisse eines großen Musikers, der eine absolut integre Vision des zu übermittelnden Werkes mit der Fähigkeit verband, das Orchester zu wundervoll atmendem, singendem Spiel zu animieren.

Wie kompetent Lehmann in allen Stilrichtungen war, demonstriert die CD mit spanisch-französischem Repertoire, das für damalige deutsche Verhältnisse einigermaßen exotisch war. Federnde Rhythmik und raffinierte Klangregie kennzeichnen de Fallas Liebeszauber, den Danse macabre und das Bacchanale aus Samson und Dalila von Saint-Saëns. In Debussys Nachmittag eines Fauns entfalten sich die Strukturen in wundervoller Freiheit und dürfen die Berliner Philharmoniker in allen farblichen Nuancen schwelgen. Im Verein mit reaktionsfreudigen Musikern und ambitionierten Technikern hat Lehmann etwa in de Fallas Dreispitz-Tänzen oder Chabriers España-Rhapsodie Details aufgespürt und herausgearbeitet, die in keiner modernen Aufnahme zu hören sind.

Igor Markevitch, dessen Berlioz zu den Highlights der ersten Folge zählte, ist diesmal mit einem russischen Programm vertreten. Die zügige, entschlackte Wiedergabe von Mussorgskys Bilder einer Ausstellung in Ravels Orchesterfassung scheint eher seiner französischen Ausbildung als seinen russischen Wurzeln Tribut zu zollen. Mehr von scharfsinnigem Kalkül als von Sentiment geprägt wirken auch Rimsky-Korsakoffs Ouvertüren Russische Ostern und Mainacht sowie die Orchestersuite aus der Oper Der goldene Hahn. Markevitch entfesselt hier ein orchestrales Feuerwerk von atemberaubender Brillanz und Farbigkeit.

Wesentlich kompakter klingen die Einspielungen mit Franz Konwitschny und der Sächsischen Staatskapelle aus der Dresdener Kreuzkirche. Dem vitalen, energiegeladenen Musizierstil des damaligen Gewandhauskapellmeisters scheint die Sinfonia domestica von Richard Strauss wie auf den Leib geschrieben. Große Beachtung fand in den 50er Jahren eine Schallplatte Konwitschnys mit der sogenannten Jenaer Sinfonie, die irrtümlich für ein Jugendwerk Beethovens gehalten wurde. Nachdem als wahrer Autor der im gleichen Jahr wie Beethoven geborene Würzburger Hofkapellmeister Friedrich Witt identifiziert worden war, geriet die Sinfonie schnöde in Vergessenheit, was das anmutige Werk eigentlich nicht verdient hat. So ist es mehr als eine nostalgische Geste, dass die Aufnahme hier nun auf CD erscheint.

Als lohnende Fundstücke erweisen sich ebenfalls die beiden Sinfonischen Dichtungen Orpheus und Mazeppa von Franz Liszt, denen der aus Innsbruck stammende, damals dreiunddreißigjährige Otmar Suitner mit den Bamberger Symphonikern sehr lebendige, klanggesättigte Wiedergaben angedeihen ließ. Der später zu einem Protagonisten des Kulturlebens der DDR avancierte Dirigent wusste auch den melodischen Reichtum von Edvard Griegs Peer-Gynt-Suiten auf ganz natürliche, unprätentiöse Weise zum Blühen zu bringen.

Komplettiert wird das Paket durch zwei weitere CDs mit Ferenc Fricsay. Die eine enthält Peter Tschaikowskys vierte Sinfonie, überwältigend in ihrer glühenden Intensität und fanatischen Genauigkeit, dazu eine geschmeidig-elegante Schwanensee-Suite und einige Walzer. Die andere ist Igor Strawinsky gewidmet, für den Fricsay eine besondere Vorliebe hatte, mit der berühmten Aufnahme des Sacre und der atemberaubenden, messerscharfen Darstellung des Petruschka-Balletts. Hier ist Fricsay ganz in seinem Element und das Berliner RIAS Symphonie-Orchester spielt auf Weltklasse-Niveau.

Das exzellente klangtechnische Niveau lässt schnell alle Vorbehalte gegenüber „historischen“ Aufnahmen schwinden und bezeugt den unheimlich hohen Qualitätsmaßstab, den die nach internationaler Anerkennung strebende Deutsche Grammophon damals bei jeder ihrer Veröffentlichungen anlegte. Die überwiegende Mehrzahl der Einspielungen erscheint hier erstmals auf CD. Wie bei der ersten Staffel ziert jede einzelne CD-Hülle die verkleinerte Reproduktion des originalen Schallplatten-Covers aus den 50er Jahren. Die CDs sind einzeln erhältlich, doch nur wer alle zehn zusammen im Slipcase erwirbt, kommt in den zusätzlichen Genuss des liebevoll gestalteten, mit hochinteressantem Text und viel rarem Bildmaterial ausgestatteten Begleitheftes.

Einzelveröffentlichungen:

Sixtus König † † [31.10.2005]

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Komponisten und Werke der Einspielung

Tr.Komponist/Werkhh:mm:ss
CD/SACD 1
Karl Amadeus Hartmann
1Symphony No. 6 for large Orchestra
Johann Ernst Hartmann
2Sinfonie No. 4 major
Wolfgang Fortner
3Sinfonie for large Orchestra (1947)
Boris Blacher
4Variationen über ein Thema von N. Paganini op. 26 für Orchester (1947)

Interpreten der Einspielung

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