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Besprechung CD

ECM 982 1424

2 CD • 1h 59min • 1986

25.02.2005

Künstlerische Qualität:
Künstlerische Qualität: 10
Klangqualität:
Klangqualität: 9
Gesamteindruck:
Gesamteindruck: 10

Klassik Heute
Empfehlung

Der Kiewer Komponist Valentin Silvestrov schrieb seinen vierteiligen Vokalzyklus Stille Lieder nach Versen klassischer Dichter in den Jahren 1974-77. Die sorgfältige Auswahl der Texte zeugt von seinem poetischen Gespür. Bis auf zwei Gedichte der früh verstorbenen englischen Klassiker John Keats und Percy B. Shelley wählte Silvestrov ausschließlich Verse russischer Dichter wie Puschkin, Lermontow, Tjutschew, Baratynskij, Jessenin, Zhukowskij oder Mandelstam sowie des ukrainischen Nationaldichters Taras Schewtschenko. Darunter finden sich so berühmte Verse wie Puschkins „Pora, moj drug, pora!“ oder Lermontows russische Adaption von Goethes „Wanderers Nachtlied“. Der erste und vierte Teil des Zyklus ist von tragischem, der zweite von lyrischem Grundton, der dritte Teil besingt die Schönheit. In ihrer Haltung sind die Lieder (nicht unbedingt die Texte!) meist meditativ und entbehren eines lyrischen Helden. Thematisch kreisen sie um Einsamkeit, Begegnung und Abschied, Erinnerung. Motivische Rückbezüge und Korrespondenzen verleihen dem Zyklus innere Geschlossenheit. Musikalisch findet man durchaus Anklänge an Schubert’sche Lyrik oder (bei Keats) an die englische Volksmusik. Am deutlichsten jedoch stehen Silvestrows Stille Lieder in der großen Tradition der russischen Romanze.

Mit seinen Stillen Liedern ist dem Komponisten ein großer Wurf gelungen, eine Apotheose der gedämpften Töne. Auf den ersten Blick wirken die Stücke konservativ, rückwärtsgewandt; bei genauerer Betrachtung aber zeugen sie von Silvestrovs originellem schöpferischem Umgang mit der Gattung. Seine Romanzen gleiten nie ins Rührselige ab, noch unterliegen sie einem Hang zum Pathetischen. Im Gegenteil, bewusst vermeidet die Musik Dramatizismen, trumpft nie plakativ auf, sondern sie gibt sich durchweg verinnerlicht, still. Selten nur verlässt der Sänger den Bereich des „sotto voce“, und doch sind sämtliche Ausdrucksnuancen peinlich genau fixiert. Silvestrov komponiert nah am Duktus, an der Intonation der Sprache und verlangt musikalisch wie menschlich dem Interpreten das Äußerste ab – Demut.

Ergänzt wird die Aufnahme durch einen kurzen, 1982 entstandenen Mandelstam-Zyklus. Der Bariton Sergej Jakowenko ist der ideale Interpret dieser Lieder: uneitel, farbenreich, einfühlsam. Ilja Scheps (und beim Mandelstam-Zyklus Silvestrov selbst) sind seine kongenialen Partner.

Man hört der Aufnahme kaum an, dass sie vor fast 20 Jahren in Moskau aufgezeichnet wurde. Mit dem Booklet hat man sich Mühe gegeben. Die Verse sind im kyrillischen Original abgedruckt, leider aber nicht in Transliteration, so dass es dem des Russischen nicht mächtigen Hörer sehr schwer fallen dürfte, dem Text zu folgen. Die deutschen Übersetzungen der Poesie sind von unterschiedlicher Güte und treffen nicht in allen Fällen die hohe poetische Qualität der Vorlagen. Wohl aus Kostengründen wurden sie nicht eigens für diese Edition neu angefertigt, sondern sind aus existierenden Sammelbänden übernommen. Interessante Einblicke in die Werkstatt des Komponisten vermittelt der erhellende Essay der russischen Musikwissenschaftlerin Tatjana Frumkis.

Last not least gehört etwas Kult bei ECM wohl dazu: Bei den sehr unscharfen Fotos vom Komponisten und den Interpreten handelt es sich offensichtlich um eine künstlerisch sublimierte Unschärfe…

Nichtsdestotrotz: Man kann Manfred Eichers Mut nur Achtung zollen, Valentin Silvestrovs „Stille Lieder “auf den Markt zu bringen, auch wenn sie sicher nur einen sehr kleinen, ausgewählten Hörerkreis ansprechen werden.

Heinz Braun † [25.02.2005]

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Komponisten und Werke der Einspielung

Tr.Komponist/Werkhh:mm:ss
CD/SACD 1
Valentin Silvestrov
1Stille Lieder für Bariton und Klavier (Vokalzyklus in vier Teilen)
2Vier Lieder nach Gedichten von Ossip Mandelstam für Bariton und Klavier

Interpreten der Einspielung

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