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Besprechung CD zum Thema
Musik für Violine

Vladimir Spivakov

Tribute to Alfred Schnittke

Capriccio 67 016

1 CD • 79min • 2001

25.03.2003

Künstlerische Qualität:
Künstlerische Qualität: 9
Klangqualität:
Klangqualität: 10
Gesamteindruck:
Gesamteindruck: 10

Klassik Heute
Empfehlung

Dem 1934 im zentralrussischen Engels, der damaligen Hauptstadt der „Autonomen Sozialistischen Republik der Wolgadeutschen“, geborenen deutsch-jüdischen Komponisten Alfred Schnittke gelang es wie nur wenigen, die Widersprüche zwischen einer modernen, zeitgenössischen Klangsprache und den ihr zu Grunde liegenden historischen Wurzeln überzeugend zu verknüpfen. In der hier vorliegenden und editorisch wie vom Layout sehr gut gemachten CD stellt Vladimir Spivakov das Schaffen Schnittkes anhand von vier repräsentativ ausgewählten und jeweils für eine Schaffens- bzw. Stilperiode stehenden Werken in bestechend klarer, audiophiler Klangqualität vor.

Die 1963 entstandene und fünf Jahre später für Violine und Kammerorchester bearbeitete Sonate, in der expressive melodische und harmonische Gesten kargen, ausgemergelten Klangfiguren gegenüberstehen, gilt als Schnittkes erstes reifes Werk. Spivakov und das von ihm geleitete Kammerorchester schöpfen hier aus dem Vollen. Mir enormer Intensität, zupackend aggressiv und auch schroffe Attacken nicht scheuend wird – nicht zuletzt durch das „knöchern“ klingende Cembalo – eine gespenstisch gegenwärtige Welt, geschaffen aus Fragmenten der Vergangenheit, vorgestellt.

Eine vordergründig andere, heile Welt betritt die Suite im alten Stil. Doch der Schein des heiteren und herrlich lebhaften Spiels trügt. Denn analog zu Hans Zenders komponierter Interpretation von Schuberts Winterreise versteckt sich die Gegenwart nur hauchdünn unter der barocken Klangoberfläche. Wenn die Musik einen Augenblick lang inne hält, dann scheint es, als ob sich die Geister der alten Meister verbotenerweise in den Hörraum geschlichen und dort verirrt hätten. Einen Höhepunkt in Schnittkes Schaffen stellt das Klavierkonzert mit Streichorchester dar. Die so zart und fragil beginnende Musik türmt sich mit der Zeit zu regelrechten Blöcken aus fragilem klanglichen Material auf – mit unausweichlich folgenden Felsstürzen.

Alexander Ghindins Klavierspiel folgt dem energetischen Verlauf dieser Musik mit hoher Sensibilität. Die Fragestellung einer ins Nichts mündenden Tonalität wird aufgegriffen und bis zum unausweichlich bitteren Ende geführt: in katastrophische, clustergesättigte Klavierklangexplosionen.

Die abstrakteste und auch klanglich sprödeste Musik auf dieser CD verkörpern die 1994, also nur vier Jahre vor Schnittkes Tod entstandenen Fünf Fragmente zu Bildern von Hieronymus Bosch. Sie entstanden zu einer Zeit, in der der Komponist die Todesgrenze durch Schlaganfälle bereits temporär überschritten hatte und reflektieren das Thema der Sünde und der Erlösung. Karge und unbequeme Wendungen kennzeichnen diese Werke mit Soloposaune (Anatoly Skobelev) und Tenor (höhensicher, aber mit starkem Akzent: Dmitri Kortchak). Das letzte Stück (Frosch lebt im Lentz) wirkt durch seine seltsam tänzerisch klingende Violine und den sich darin einnistenden Fremdkörpern aus Ensemble und Gesang wie eine gespenstische Jenseitsvision: ob Himmel oder Hölle, weiß wohl nur Schnittke selbst.

Robert Spoula

Künstl. Qu.: 9

Kl.-Qu.: 10

Ges.-Eindr.: 10

Empfehlung!

Robert Spoula [25.03.2003]

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Komponisten und Werke der Einspielung

Tr.Komponist/Werkhh:mm:ss
CD/SACD 1
Alfred Schnittke
1Sonate
2Suite im alten Stil für Violine und Klavier (1972)
3Fünf Fragmente zu Bildern von Hieronymus Bosch
4Konzert für Klavier und Streichorchester

Interpreten der Einspielung

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