Schubert Edition Vol. 36
Hyperion CDJ33036
1 CD • 80min • 1996-99
01.12.2000
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Klassik Heute
Empfehlung
Franz Schuberts Schaffen aus letzter Lebenszeit – war das wirklich nur Düsternis und Todesahnung, wie uns dies manche Schubert-Ausdeuter weismachen wollen? Keineswegs, denn in den Spätwerken läßt sich sogar ein starkes Vorhandensein heiterer Kompositionen nachweisen. Ein musikalischer Schabernack wie das Vokalterzett Der Hochzeitsbraten D 930 hat nichts mit den vielzitierten "Schwingen des Todes" zu tun, ebensowenig die vielen Frühlings-, Jäger- und Schifferlieder dieser Epoche. Die Folge 36 der Hyperion-Schubert-Edition widmet sich dem Jahr 1827, von dessen reichen Hervorbringungen (es ist dies das Jahr der Winterreise) hier nur eine relativ enge Auswahl geboten werden kann. Die drei italienischen Canzonen D 902 sind dem italienischen Bassisten Luigi Lablache gewidmet, der zu dieser Zeit am Wiener Kärntnertortheater Furore machte. Ob Schubert zu dieser sängerischen Zelebrität (Lablache war ein Lieblingssänger Rossinis) näheren Kontakt hatte, ist nicht bekannt, ebensowenig weiß man, ob Lablache die Lieder in sein Vortragsrepertoire aufgenommen hat. Erstaunlich ist Schuberts Einfühlung in eine musikalische Sphäre, der er stets mit gewissen Vorbehalten gegenüberstand. Eine wichtige Begegnung der Spätzeit stellen die Dichtungen des Steiermärkers Karl Gottfried von Leitner dar, die Schubert zu einigen seiner bedeutendsten Schöpfungen inspiriert haben, darunter zu dem wunderbaren Lied Der Kreuzzug D 932. In die Hyperion-Sammlung wurden auch jene Leitner-Lieder aufgenommen, die Schubert nur skizzenhaft hinterlassen hat und die erst in neuerer Zeit, durch Reinhard Van Hoorckix, vervollständigt wurden. Wolke und Quelle D 896B (bisher in den Katalogen nicht verzeichnet) darf als echte Trouvaille bezeichnet werden. Juliane Banse singt dieses schöne Lied mit berührendem Ausdruck und beweist in allen weiteren Vortragsstücken neuerlich ihre herausragende Position im Liedgesang. Auch dem Tenor Michael Schade und seiner vorbildlich geführten Stimme ist Anerkennung zu spenden. Der Trumpf der Aufnahme gilt aber dem Bariton Gerald Finley, der nicht nur den Hauptteil der Liederfolge übernommen hat, sondern auch als großartiger Gestalter, Sänger und Sprecher beeindruckt. Über Graham Johnson ist nach so langem Bestehen der Hyperion-Serie nichts Neues zu sagen, er gehört längst schon zu Schuberts engstem Freundeskreis und weiß als Klavierspieler und Textautor des Booklets viel über seinen metaphysischen Freund zu sagen.
Im Hochzeitsbraten wirkt die Sopran-Solistin Lynne Dawson mit, die kleine Kantate für Irene Kiesewetter D 936 wird von einem Vokalensemble (Holst Singers und Eugene Asti, Klavier) vorgetragen.
Clemens Höslinger [01.12.2000]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Franz Schubert | ||
1 | Romanze des Richard Löwenherz D 907 (1827) | |
2 | Jägers Liebeslied op. 96 Nr. 2 D 909 (Text: Schober, 1827) | |
3 | Schiffers Scheidelied D 910 (Text: Schober, 1827) | |
4 | Frühlingslied D 919 | |
5 | L' incanto degli occhi D 902 Nr. 1 (Die Macht der Augen, 1827) | |
6 | Il traditor deluso op. 83 D 902 Nr. 2 (Der getäuschte Verräter, 1827) | |
7 | Il modo di prender moglie D 902 Nr. 3 (Die Kunst, ein Weib zu nehmen, 1827) | |
8 | Wolke und Quelle D 896b (Text: Leitner, 1827/1828) | |
9 | Der Kreuzzug D 932 (1827) | |
10 | Der Hochzeitsbraten op. 104 D 930 für Sopran, Tenor, Baß und Klavier (1827) |
Interpreten der Einspielung
- Juliane Banse (Sopran)
- Michael Schade (Don Ottavio - Tenor)
- Gerald Finley (Bariton)
- Lynne Dawson (Sopran)
- Graham Johnson (Klavier)